• Deutscher Whisky

Deutscher Whisky

Ein Gastbeitrag von Rüdiger Jörg Hirst – Alba-Collection Verlag Hamburg

Vorweg! Ich gebe es unumwunden zu, ich bin ein Scotch Single Malt. Dort ist meine Genussheimat und mein Erfahrungsschatz beheimatet. aber über den Tellerrand des Scotch Single Malt geschaut, öffnet sich die riesige Geschmackswelt der Whiskies. Whisky die Spirituose mit dem breitesten Geschmacksspektrum.

Nun bin ich auchdem Segler und so lasse ich mich gerne mal durch die unendliche Geschmackswelt des Whiskies treiben, und es ist schön wenn man in seinen Heimathafen (Scotch) zurückfindet. Nun unterwegs entdeckt man viele neue und interessante Whiskies, welche den eigenen Erfahrungshorizont bereichern und erweitern.

Auch teile ich nicht die Meinung: „Man muss deutschen Whisky als regionales Produkt sehen und darf diesen nicht mit Scotch Whisky oder Ähnlichem vergleichen.“ – Natürlich vergleiche ich Whisky anderer Herkunft immer mit Scotch oder mit Irish oder Bourbon oder, oder, oder…

Warum auch nicht, darauf beruhen meine bisherigen Erfahrungen, die sich automatisch erweitern. Folglich muss sich das Neue immer mit dem Alten (Gesicherten) messen, denn man kann seine Erfahrungen nicht einfach ausblenden.

Selbstverständlich gibt es regionale Besonderheiten beim Whisky, zum einen den gesetzlichen Regelungen im jeweiligen Land und zum anderen den regionalen Unterschieden (Klima, Kultur und Produktionsbedingungen) geschuldet. Letztendlich entscheidet immer einzig und allein der persönliche Geschmack.

Wie ich zum Deutschen Whisky kam

Ich kam zum Deutschen Whisky zufällig und „aus Versehen“. Vorher beschäftigte ich mich ausschließlich mit schottischem Whisky, unsere Schottland- und Islaykarte zu den Whisky-Destillerien erfreuten sich in der Whiskyszene wachsender Beliebtheit, und ich war mit Recherchearbeiten zum Irish Whiskey beschäftigt. Dann kam im Herbst 2012 ein Anruf von einem guten Freund und Whisky-Fachmann mit der Frage was ich denn von einer Deutschen Whiskykarte hielte? Ob ich den nicht…? Die Zeit wäre dafür reif! OH!!! Erst einmal aller Ehre wert, dass er dabei an mich dachte. Sicher: „Racke Rauchzart“, „Falkenthal“, „Slyrs” und „Blaue Maus” etc. waren mir bekannt. Aber Kenntnis von Deutschem Whisky hatte ich nicht. Eigentlich halte ich mich bei Themen, von denen ich nichts verstehe, einfach zurück. Jedenfalls gelang es ihm, mich davon zu überzeugen, das Thema „Whisky“ auf den deutschsprachigen Raum (Österreich und Schweiz) zu erweitern, und er sagte mir seine 100%ige fachliche Unterstützung zu. Am Abend hatte ich dann eine Liste mit 80 deutschen Whisky- Brennereien im Postfach.

Ich war überrascht: das waren doch Einige!

dach_karteDie Recherchen zum Thema Irland stellte ich zurück und stürzte mich geradezu auf die Deutschen, Österreicher und Schweizer. Trotz meiner Unerfahrenheit zum Thema kam ich gut voran: es gab keine Sprachbarrieren, und es gab keine Großkonzerne wie in Schottland, wo man den eigentlichen Whiskymachern nicht so ohne weiteres nahe kam. Ich konnte mich mit den Brennern austauschen. Und ich konnte zahlreiche deutsche Whiskies probieren. Zugegeben, das Probieren war schon eine Herausforderung an meine Geschmacksnerven. Irgendwie haben die Schotten und Iren beim Whiskybrennen einfach 250 Jahre mehr Erfahrung. Es fallen also keine Meister vom Himmel- guter Whisky ist wohl auch eine Frage der Erfahrung.

Nach nur rund fünf Wochen intensivster Recherche war es an der Zeit, meinen Fachberater damit zu schocken, dass ich bin mehr als sein gelehriger Schüler war. Ich schickte ihm „Seine Liste“ etwas überarbeitet zurück (Deutschland 120 – Österreich 50 – Schweiz 30 – Liechtenstein 1) Die Überraschung gelang mir perfekt.

Heute (Stand 2016) reden wir von 172 Deutschen, 54 Österreichern, 34 Schweizern Brennereien und 1 Liechtensteiner Brennerei, die Whisky produzieren – und es wird sicher noch eine Vielzahl weiterer geben, welche ich bisher noch gar nicht aufgespürt habe. Sicher, 259 deutschsprachige Whiskydestillerien hören sich im Vergleich zu den derzeit 115 aktiven Schottischen Destillerien ziemlich viel an- gemessen an der Produktionsmenge stellt sich der Sachverhalt aber völlig anders dar. Aber beim Genuss geht es schließlich nicht um die Menge, sondern um den persönlichen Geschmack. Und hier scheiden sich die Geister.

Von stark verbesserungswürdig bis sehr gut

Die erwähnten 259 deutschsprachigen Whiskybrenner liefern ein extrem breites Geschmacksspektrum, von, ich sage mal „Schlecht genießbar – hat nichts mit Whisky im herkömmlichen Sinne zu tun“ bis hin zu „Richtig gut- und wenn man nicht weiß, was sich im Glas befindet, hat man es schwer, auf deutschen Whisky zu tippen“. Meine anfänglichen Vorbehalte gegenüber deutschem Whisky haben sich inzwischen gelegt. Zahlreiche deutsche Whiskies sind auf einem guten Weg: sei es, dass der Whisky zunehmend länger reift. Oder sei es, dass die Brennmeister/-innen zunehmend mehr Erfahrungen gesammelt haben.

Auch kann ich feststellen, dass der deutsche Whisky sich weiterentwickelt. Spannend ist, wie unterschiedlich hierzulande Whisky produziert wird. Sicher ist fraglich, ob ein Obstbrenner mit Leib und Seele in der Lage ist, neben seinen guten Obstbränden auch guten Whisky zu produzieren- oder ob er bei fassgelagertem Getreidebrand, dem irrtümlich oder vorsätzlich das Etikett „Whisky“ verpasst wird, stehenbleibt. Diese Entscheidung überlasse ich gern ihm und seinen Kunden.

Bei Whisky aus der deutschsprachigen Region denke ich vielmehr an jene Brenner, welche sich der Whiskyproduktion voll und ganz verschrieben haben. Da gibt es mittlerweile einige Produzenten, welche auf einem richtigen Weg sind, und wo man über kurz oder lang mit gutem Whisky rechnen kann. Es gibt zahlreiche gute Beispiele- ich kann und möchte an dieser Stelle nicht auf alle eingehen, da es hier einfach den Rahmen sprengen würde. Von daher möchte ich nur einige wenige, für mich äußerst spannende, Beispiele herausgreifen. Alle nicht Erwähnten mögen es mir bitte nachsehen.

Glina stillhouseBeginnen möchte ich mit der GLINA-Destillerie in Werder. Hier wird seit 2008 in einem landwirtschaftlichen Betrieb Whisky produziert. Erwähnenswert deshalb, weil hier Gerste, Roggen und Weizen auf den eigenen umliegenden Feldern angebaut, geerntet und letztendlich zu Whisky verarbeitet werden. Vom Feld bis in die Flasche erfolgen alle Produktionsschritte, abgesehen vom Mälzen, in Eigenregie. 2015 erfolgte dann der erste Spatenstich zu einer neuen Destillerie mit Erlebniswelt, die im Frühjahr 2016 ihren Betrieb aufnahm. In der Erlebniswelt kann man auf über 1000 qm jeden Schritt der Whiskyherstellung hautnah erleben. Produziert wird, wie das Getreide auf den Feldern hier unschwer erkennen lässt, Malt Whisky, Rye und Weizen (Grain) Whisky- ein recht umfangreiches Portfolio!

stkilians mashtubEin weiteres spannendes Projekt ist die St. Kilians Destillerie in Rüdenau. Anfang Juli 2016 wurde sie eröffnet- aber bereits einige Jahre zuvor, als ich das erste Mal von den Plänen erfuhr, zog mich die St. Kilians gewissermaßen in ihren Bann. Hier sollte also die erste Whisky Brennerei nach irisch/ schottischem Vorbild in Deutschland entstehen. Geschätzte Investitionssumme: rund 10 Mio. Euro. Respekt! Entweder völlig verrückt oder der volle Ernst! Am Eröffnungstag konnte ich mich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass man hier ernsthaft Whisky produzieren wird. Nichts hatte man dem Zufall überlassen: eine richtige Mashtun, große hölzerne Washbacks und zwei formschöne Potstills von Forsyth – genau so, wie man es aus Schottland und Irland kennt. Und man legte großen Wert auf gut ausgebildetes Personal, welches während der Bauphase das Whiskybrennen in schottischen, irischen und amerikanischen Whiskybrennereien von der Pike auf erlernten. Eine Probe des Newmakes und ein Blick ins Warehouse ließen bei mir keinen Zweifel aufkommen: hier wird ernsthaft Whisky produziert. Ich bin zumindest gespannt auf den ersten St. Kilians Whisky.

Kymsee WarehouseUnd es ist gerade einmal drei Wochen her, als mich der Kymsee-Whisky nicht nur überraschte, nein- er überzeugte mich. Sicher, mit nur drei Jahren ein junger Whisky, aber ein verdammt guter junger Whisky. Wenn ich es nicht bereits gewusst hätte: auf einen deutschen Whisky wäre ich im Traum nicht gekommen. Grund genug, mich mit dem Brennmeister ausführlich darüber zu unterhalten, denn meiner anfänglichen Überraschung wich die Neugierde. Jetzt wollte ich wissen, wie man Whisky so gut hinbekommt. Der Kymsee-Whisky wird seit vier Jahren in einem Braugasthof in Grabenstätt am Chiemsee, mit einer 300 Liter Holstein-Brennanlage mit Kolonne, in Kleinstmengen produziert. Der Brennmeister ist gelernter Braumeister und produziert auch das eigene Bier für den Braugasthof. Selbst Whiskyliebhaber hatten seine Whiskyfreunde leichtes Spiel, ihn zum Whiskybrennen zu überreden. So war es sicher die logische Konsequenz, den Newmake von Anfang an in den richtigen Fässern (Ex-Bourbon- & Ex-Sherry-Cask) reifen zu lassen.

Und letztendlich ein Ergebnis, welches schmeckt.

Das Fazit und die Frage nach dem Preis

Insgesamt, denke ich, ist der Whisky im deutschsprachigen Raum auf einem guten Weg, man muss ihm Zeit und Raum geben, damit sich seine regionalen Besonderheiten entfalten können, um dauerhaft einen festen Platz in der großen weiten Welt der Whiskies einnehmen zu können. Ich bin da offen und freue mich auf viele weitere Eindrücke.

Ach ja – da wäre dann noch die immerwährende Preisdiskussion: ”Was darf denn deutscher Whisky kosten?“ Eine Diskussion, welche mich, ehrlich gesagt, nicht wirklich interessiert, denn auch beim deutschen Whisky wirken die marktüblichen Mechanismen: also Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Da ich ein Genussmensch bin und kein Sammler führe ich Whisky seiner eigentlichen Bestimmung zu und trinke ihn, anstatt ihn in einer Vitrine, einem Altar ähnlich, täglich anzubeten. Von daher darf bei mir deutscher Whisky ungefähr soviel kosten wie jeder andere Whisky auch, das Angebot ist riesengroß und Alles Kaufen kann Niemand- folglich muss man für sich persönlich selektieren!

Über den Autor

rudiRüdiger „Rudi“ Jörg Hirst ist seit über 17 Jahren Whiskygenießer und -liebhaber und hat 2012 den Alba-Collection Verlag mitbegründet – der thematische Karten zu allen Whiskyregionen der Welt herstellt und vertreibt.

In seiner Freizeit organisiert Rüdiger Segeltörns – und das mit voller Absicht in den Gewässern vor Schottland.

Aktuelle Interviews zum Thema „Deutscher Whisky“

2017-12-06T15:56:46+01:00

About the Author:

Freddy liebt vor allem milde, schottische Whiskies, es darf aber auch mal rauchig sein. Er schreibt seit 2014 mit Begeisterung über alles, was mit dem "Wasser des Lebens" zu tun hat. In seiner Freizeit wandert er viel mit seiner Frau und seinen beiden Kindern.

3 Kommentare

  1. Bluesjo 11. März 2017 um 11:08 Uhr - Antworten

    Hallo
    Ich bin auch noch Anfänger, habe mir aber ein Whisky aus Bocholt gegönnt.meinem Geschmack ist er, dafür das er noch jung ist…. einfach toll.
    Lg
    Bluesjo

  2. Roland 11. September 2017 um 14:25 Uhr - Antworten

    Gestern war ja eine rein deutsche Whisky-Messe in Wuppertal…. Sehr interessant und vielseitig!
    Aber natürlich (leider) auch ernüchternd, was teilweise die Qualität angeht, wenn man es mit ’seinen‘ Favoriten vergleicht (und da sagt es der Autor dieses Artikels ja auch schon ganz richtig: »Natürlich vergleiche ich Whisky anderer Herkunft immer mit Scotch…«)! Alles andere wäre Augenwischerei.
    Wobei ich mal vermute, dass die handwerkliche Finesse, die Detailliebe und die Akribie, mit der die Klein- und Kleinst-Brennereien arbeiten wohl im Schnitt deutlich über dem schottischen Durchschnitt liegen dürften. Wenn aber der schottische Durchschnitt immer noch meilenweit über den deutschen Resultaten liegt, dann kann man hier wohl nur das Fazit wiederholen: »…man muss ihm Zeit und Raum geben…«
    Das aber könnte sich nach meinen Erfahrungen in W’tal durchaus lohnen!
    Ich jedenfalls habe mir einige Distillen auf ‚Wiedervorlage‘ gelegt, um da in 3-4 Jahren nochmal nachzuschauen… 🙂
     

    • Freddy 11. September 2017 um 14:30 Uhr - Antworten

      Hallo Roland,

      danke für den Kommentar! Ja, es tut sich was in Deutschland. Ich habe in den letzten Tagen mit einigen Brennern gesprochen, die der gleichen Meinung sind. Und auch Jim Murray hat ja beispielsweise den Nine Springs Tripple Cask oder den DeCavo aus der Märkischen Spezialitätenbrennerei mit über 90 Punkten bewertet. Ich denke, da tut sich in nächster Zeit auf jeden Fall noch einiges.

      Ich werde in den nächsten Monaten auch vermehrt über deutschen Whisky berichten, es bleibt also spannend!

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